Zu einer Typologie der Frankfurter Küchen 1926 – 30
    Exposé 
    Die kraftvolle Gestaltung der Frankfurter Küchen übertraf alle Bemühungen 
    der Zeit um die neue Küche. Sie brachte die neuen Prinzipien der Rationalität 
    und Funktionalität besonders anschaulich zum Ausdruck und hatte einen 
    starken Einfluß auf die Werkbundausstellung in Stuttgart. Da im Zuge 
    der Renovierungen und Modernisierungen in der Weißenhofsiedlung sämtliche 
    Küchen von 1927 zerstört worden sind, hat die SGKD den Kontakt nach 
    Frankfurt gesucht, um dieses Thema besser kennenzulernen und vor allem noch 
    Anschauungsmaterial zu finden. 
Nach 15-jähriger Sammeltätigkeit in den May-Siedlungen arbeitet die SGKD nun an der Auswertung der vorgefundenen originalen Küchen-Ensembles und Belegstücke. Ausgehend von den historischen Fotos und Plänen zur ersten Vorstellung von Konzept und Kritik in der Presse, werden die Küchen des Sammlungsbestandes mit diesen verglichen. Festzustellen ist, daß es weit mehr Varianten dieser Küchen gibt als in der damaligen Presse vorgestellt wurden und bis heute bekannt sind. Es fällt auf, daß z.B. die Küchenentwürfe der Siedlung Römerstadt, die als erste voll elektrifiziert war, aber erst 1927/28 gebaut wurde, keine Resonanz mehr in der Presse fanden. Auch die Küche für die möblierten Kleinstwohnungen von 1928/29 in den Laubenganghäusern der Ludwig-Landmann-Strasse in der Versuchssiedlung Praunheim, die sehr gut gelöst und überzeugend in den kleinen Raum eingepasst war, wurde im Bericht der Reichsforschungsgesellschaft 1929 nicht erwähnt.
Wenn man heute von Frankfurter Küche spricht, versteht man darunter die Ausstellungsküche oder auch sogenannte Musterküche von Margarete Schütte-Lihotzky, so wie sie in der Erstveröffentlichung in Stein-Holz-Eisen in 4 Fotos vorgestellt wurde, mit Schiebetür, Kochkiste und blau lackiert um die Fliegen fernzuhalten. Die Untersuchung des Sammlungsbestandes zeigt jedoch eine Vielfalt von weiteren Küchen für die eine typologisch geordnete Darstellung sinnvoll erscheint. Die Küchen lassen sich nach Siedlung und Strasse gut den einzelnen Bauphasen zuordnen und recht genau datieren. In der chronologischen Reihenfolge und der Zuordnung zu den einzelnen Siedlungen lassen sich sowohl qualitative Veränderungen der Elemente feststellen, wie auch Anpassungen an die baulichen Vorgaben. Es werden auch neue Elemente und Kombinationen eingeführt. Die Farbuntersuchungen ergeben, dass die Küchen ein ganzes Spektrum von Farben aufzeigen und auf keinen Fall immer blau waren, wie von Schütte-Lihotzky behauptet.
In den May-Siedlungen findet sich eine Vielzahl von Wohnungsgrundrissen, 
    denen die Elemente der Musterküche angepasst werden mussten. Im Städtischen 
    Hochbauamt arbeiteten in der Abteilung T für Typisierung unter der Leitung 
    von Eugen Kaufmann noch 15 weitere Mitarbeiter neben Frau Schütte-Lihotzky. 
    Alle waren bestrebt, die Grundidee auf die jeweiligen Anforderungen zu übertragen 
    und waren dabei geschickt und kreativ. 
    Die „Frankfurter Küche“ ist wohl als Idee aufzufassen, nach 
    der den Aufgaben und Sachzwängen entsprechend, die unterschiedlichen 
    Typen realisiert wurden. Jedenfalls steht fest, dass die zehn- oder zwölftausend 
    Küchen für die May-Siedlungen nur zu Beginn als sogenannte Musterküchen 
    ausgeführt worden sind. Die Musterküche war die erste Ausformung 
    der Idee, aber nicht die einzige Frankfurter Küche, sondern im Rückblick 
    eine unter mehreren. 
© Stuttgarter Gesellschaft 
    für Kunst und Denkmalpflege, Juli 2004
On the typology of the ‘Frankfurter Küche’ 1926 
    – 1930 
    Exposé 
    The powerful design of the Frankfurter Küche [Frankfurt Kitchen] 
    was a ground-breaking piece of modern kitchen design in its day. It particularly 
    clearly expressed the new principles of rationality and functionality and 
    had a strong influence on the Werkbund-exhibition of 1927 in Stuttgart. Since 
    all the original kitchens from the 1927 Weißenhof estate have been destroyed 
    during renovations and modernisations, the SGKD (Stuttgarter Gesellschaft 
    für Kunst und Denkmalpflege e.V.) [Stuttgart Society for Art and the 
    Protection of Historic Buildings] contacted Frankfurt to get a better idea 
    of what they might have been like and for reference material.
After 15 years of collecting material from the May estates, the SGKD is now working on the evaluation of the found original kitchen-ensembles and sections of them, and comparing them with historic photographs and original plans from the first introduction of the concept and critical commentary in the press. It seems clear that there were many more variations of these kitchens than were originally known from the press of the time. It is noticeable, for example, that kitchens built in 1927 – 28 from the Römerstadt, which was the first estate to have running electricity, had no mention in the press whatsoever. Also the kitchens for the furnished minimal flats of 1928 – 29 in the Laubenganghäuser [houses with access gallery] of Ludwig-Landmann-Strasse (also in Frankfurt) in the experimental housing estate of Praunheim, which contained some excellent solutions and were convincingly integrated into the small space, were not even mentioned in the report of the Reichsforschungsgesellschaft [Weimar Republic Research Society for Economical Standards in Building and Housing] of 1929.
If one talks about the ‘Frankfurter Küche’ today, one is usually referring to the exhibition kitchen, or the so-called model kitchen, of Margarete Schütte-Lihotzky, which was first introduced with 4 photographs in the weekly journal Stein-Holz-Eisen [Stone-Wood-Iron: a German building publication] with sliding door, cooking-box and blue lacquer paintwork to deter flies. But examination of the SGKD collection indicates a great variety of other kitchens for which a typological classification seems sensible. The kitchens can be assigned to certain phases of building according to particular housing estates and streets and can be dated exactly. Putting them in chronological order and classifying them according to estates one can see changes in the quality of the elements as well as adaptations to building requirements. New elements and combinations were also introduced. Colour tests show that the kitchens had a whole spectrum of colours and were, by no means, always blue, as indicated by Schütte-Lihotzky.
In the May housing estates, there are a multitude of ground-plans to which 
    the elements of the model kitchen had to be adjusted. In the Städtischen 
    Hochbauamt, Abteilung T für Typisierung [Department of Standardization 
    of the City of Frankfurt’s Building Office] under the supervision of 
    Mr Eugen Kaufmann, there were a further 15 employees working alongside Mrs. 
    Schütte-Lihotzky and all of these did their best to transfer the basic 
    principle to the respective requirements of the dwelling and they were creative 
    and skilful in doing so. Therefore, the ‘Frankfurt Kitchen’ has 
    to be perceived as a concept rather than a blueprint. In any case, one thing 
    is certain that the ten- or twelve-thousand kitchens for the May housing estates 
    were only initially executed as model kitchens. The model kitchen was the 
    first shaping of an idea but it was not the only fitted ‘Frankfurt Kitchen’.
    In retrospect it was only one amongst many.
Abbildungen
    
    
    © Stuttgarter Gesellschaft 
    für Kunst und Denkmalpflege, July 2004